Tennisspieler aufgepasst: Wie du Break-Bälle gelassen abwehrst

Du bist unter Druck!

Es steht 30:40 im Entscheidungssatz und es läuft dir kalt den Rücken hinunter. Du musst einen Breakball abwehren, damit du nicht ins Hintertreffen gerätst.

Jetzt wärst du gerne so cool wie Roger Federer, der rund 75 % der Break-Bälle abwehrt. Sein Idol Pete Sampras erreichte eine noch höhere Quote. In 80 von 100 Fällen hat er seinen Kopf aus der Schlinge gezogen. Das ist beeindruckend!

Du wirfst den Ball angespannt in die Luft, holst aus und hämmerst den Ball mit deiner ganzen Kraft übers Netz … weit ins Aus. Der gefühlte Druck nimmt zu. „Jetzt nur keinen Doppelfehler“, geht es dir durch den Kopf. Kaum gedacht, zappelt der Ball schon im Netz.

Kennst du das?

Unter diesem Druck haderst du mit dir selbst und kommst nicht mehr zurück ins Spiel. Das Match geht verloren und du machst dir wieder Vorwürfe: „Das kann doch nicht sein, dass ich das nicht auf die Reihe bekomme.“

Warum können Topspieler ihren Kopf immer wieder aus der Schlinge ziehen und ihr bestes Tennis auspacken, wenn es zählt? Und wie kommst du dahin?

Ich sag`s dir.

Break-Ball – na und?

Schau dir zuerst die folgende Grafik an, bevor du weiterliest.

Stressmodell nach Richard Lazarus
Stressmodell nach Richard Lazarus

Ein Break-Ball gegen dich ist noch nicht dramatisch.

30:40 bedeutet

  • dein Gegner braucht noch einen Punkt für das Game
  • du brauchst noch drei Punkte für das Game

Im umgekehrten Fall brauchst du einen Punkt und dein Gegner noch drei.

Das sind Fakten. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn da nicht deine subjektive Bewertung der Situation (Break-Ball gegen dich) wäre. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Bewertung des Spielstandes

Anhand des Spielstandes im Tennis lässt sich sehr gut zeigen, wie Stress entsteht und was du dagegen tun kannst.

40:15 bei 2:2 im ersten Satz fühlt sich für dich ganz gut an. Du schlägst auf und weisst, dass dieser Punkt mit einem normalen Aufschlag deinem Konto gutgeschrieben wird.
-> Die Situation bewertest du positiv.

15:15 im ersten Game nach dem gewonnenen ersten Satz lässt dich kalt. Das Game und das Spiel kann sich noch in alle Richtungen entwickeln. Dieser Spielstand hat noch keine entscheidende Bedeutung für dich.
-> Die Situation respektive die Bewertung dieser ist für dich irrelevant.

30:40 Ein Break-Ball gegen dich im Entscheidungssatz oder im letzten Game lässt deine Anspannung steigen. Du weisst, dass dies der Anfang vom Ende sein kann. Dein Puls steigt, der Atem wird flach. Gefahr droht!
-> Die Situation bewertest du als gefährlich.

Gefahrensituationen kannst du unterschiedlich bewerten:

  • Als Herausforderungen: Wenn du dir zutraust, den Break-Ball abzuwehren.
  • Als Bedrohung: Wenn du befürchtest, in Rückstand zu geraten.
  • Als Verlust bei Break-Rückstand: Der Schaden ist schon eingetreten und du bist mit einem Break im Rückstand.

Kannst du es schaffen?

Schaust du einen 30:40-Rückstand im Entscheidungssatz als Herausforderung oder Bedrohung an?

Du bist überzeugt, dass deine spielerischen und mentalen Fähigkeiten gut genug sind, den Break-Ball abzuwehren?

Dann wirst du in deinem optimalen Leistungszustand bleiben und diese Herausforderung – Break-Ball abwehren – mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erfolgreich bewältigen. Weil du weisst, dass du aufgrund deiner Fähigkeiten (Selbstwirksamkeit) den Kopf aus der Schlinge ziehen kannst. Der Stress bleibt aus.

Du zweifelst an deinen spielerischen und mentalen Fähigkeiten? Jetzt wird die Bedrohung zum Stress. Der Druck nimmt zu, das Adrenalin steigt, dein Atem wird kurz, die Hände feucht und die Gedanken beginnen zu kreisen.

Und wo ist dein Fokus? Bestimmt nicht da, wo er sein sollte.

Genau in diesen Situationen brauchst du gute Strategien zur Stressbewältigung (Coping).

Break-Ball abwehren

Bei einem abzuwehrenden Break-Ball hast du ein Problem und emotionalen Stress.

Und genau da kannst du ansetzen.

Du kannst das Problem angehen und dafür eine Lösung suchen oder den emotionalen Stress reduzieren. Beides hat sich in der Praxis bewährt.

1. Problemorientierte Stressbewältigung (Coping)

Das Problem bezieht sich auf die zu bewältigende Situation: den Break-Ball abwehren. Dahingehend suchst du Informationen, welche dir helfen, dein Problem zu lösen.

Du weisst, wie dein Gegner spielt. Du kennst seine Stärken und Schwächen.

  • Er ist ein guter/schwacher Returnspieler.
  • Er spielt eine gute Vorhand (oder Rückhand).
  • Er hat Mühe mit Slice-Aufschlägen.
  • Etc., etc.

Aufgrund deiner Informationen entscheidest du, wie du agierst und was du besser unterlässt, damit du das Spiel nach Hause bringst.

Du entscheidest dich z.B. für einen Slice-Aufschlag und unterlässt es im Ballwechsel, auf die Rückhand eines starken Rückhandspielers zu spielen.

2. Emotionsorientierte Stressbewältigung (Coping)

Stresssituationen sind mit negativen Emotionen verbunden. Und negative Emotionen wirken sich leistungsmindernd auf dein Spiel aus. Hast du das auch schon erlebt? Ich denke schon.

Beim emotionsorientierten Coping steht deshalb deine Emotionsregulation im Vordergrund.

Schliesslich möchtest du wieder in deinen optimalen Leistungszustand kommen, mit dem du selbstbewusst dein ganzes Schlagrepertoire auspacken kannst.

Wenn du deine Emotionen im Griff hast, dann verändert sich deine subjektive Wahrnehmung.

Natürlich musst du den Break-Ball immer noch abwehren. Durch die neue Bewertung wirst du die Situation jedoch als Herausforderung und nicht mehr als Bedrohung erleben. Gut, oder?

Bewältigungsstrategien (Coping)

Die Fähigkeit, Drucksituationen erfolgreich zu bewältigen, ist ein wichtiger Faktor für sportliche Topleistungen.

Wenn du bei jedem Break-Ball gegen dich unter dem Druck erstickst, wird diese Bedrohung für dich zum Problem. Je öfter du in dieser Situation versagst, desto grösser wird der gefühlte Stress. Dein Monster wird gefüttert!

Stress und Monster sind schlechte Begleiter.

Mit Coping-Strategien kannst du Stress erfolgreich bewältigen und dein Erregungsniveau so steuern, damit du besser bist, wenn’s zählt.

Klassische mentale Trainingstechniken wie Visualisieren, Selbstgesprächsregulation und Entspannungstechniken (Atementspannung, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung etc.) haben sich in der Praxis bewährt.

Eine gute Möglichkeit, Stresssituationen (z.B. Break-Bälle) abzuwehren, die auch im Spiel zu bewältigen ist, ist die 16-Sekunden-Kur nach Loehr. Diese kannst du auch gut mit anderen mentalen Techniken kombinieren.

Diese 16-Sekunden-Kur wird auch von Top-Spielern praktiziert. Roger Federer erwähnte sie als Erfolgsfaktor in einem Platzinterview der Swiss Indoors 2017.

16-Sekunden-Kur (nach Loehr)

Ohne Balljungen dauert der Ablauf natürlich ein wenig länger.

Verabschiede dich positiv vom gespielten Punkt, erhole dich und bereite dich auf den nächsten Punkt vor. Daraus machst du einen individuellen, automatisierten Ablauf.

  1. Positive Verabschiedung vom Punkt

    Ziel: Aufkommen von Ärger vermeiden, Fluss von positiven Gefühlen ermöglichen.
  2. Regeneration
    Ziel: Erholung von körperlichem und mentalem Stress, optimalen Leistungszustand herstellen.
  3. Vorbereitung und Konzentration
    Ziel: Spielstand bewusst machen, Plan für den nächsten Ballwechsel festlegen.
  4. Ritual automatisieren
    Ziel: Höchste mentale und körperliche Bereitschaft für den nächsten Ballwechsel.

Situation neu bewerten

Nachdem du den Break-Ball abgewehrt hast, bewertest du die Situation neu. Du hast die Bedrohung abgewendet und erfolgreich bewältigt.

Das gibt dir eine positive Bestätigung und du weisst, dass du einen Break-Ball mit deinen Fähigkeiten abwehren und den Stress meistern kannst (Selbstwirksamkeit).

Im umgekehrten Fall ist es auch möglich, dass eine Herausforderung zur Bedrohung werden kann. Dann beginnt das Spiel wieder von vorne.

Fazit

Ob du einen Break-Ball als Herausforderung oder Bedrohung wahrnimmst, ist von deiner subjektiven Bewertung abhängig.

Fühlst du dich der Situation gewachsen, nimmst du die Herausforderung gerne an und du kannst aus dem Vollen schöpfen.

Fühlst du dich der Situation nicht gewachsen, entsteht für dich Stress.

Dann empfehle ich dir Folgendes:

  • Sammle Informationen, damit du dir darüber bewusst wirst, was bei dir Stress auslöst.
  • Entscheide dich dafür, mit welchen Bewältigungsstrategien (16-Sekunden-Kur, Selbstgespräche, Visualisieren etc.) du Stress zukünftig meistern willst.
  • Lerne diese mentalen Techniken und trainiere sie.
  • Integriere deine Bewältigungsstrategien in Training und Wettkampf.

Wie wirst du merken, dass es dir gelingt?

Z.B. Wenn du es wie Pete Sampras machst.

Ich versuche nie, ein Turnier zu gewinnen. Ich versuche auch nie, einen Satz oder ein Spiel zu gewinnen. Ich will nur diesen Punkt gewinnen. – Pete Sampras

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit mentaler Stärke alles ein wenig einfacher geht.

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