Wie Sport-Hypnose bei Blockaden hilft

Tim ist 14 Jahre alt und ein leidenschaftlicher Judo-Kämpfer. Seit einigen Jahren bestreitet er auch Turniere – doch irgendwie ist der Wurm drin: Sein Trainer bestätigt zwar, dass Tim im Training sehr gute Leistungen zeige und sogar mit der älteren Altersgruppe mittrainiere, aber im Turnier dann stets versage, „ein Trainingsweltmeister halt“, der wohl einfach keine Freude an Wettkämpfen habe.

Tim selber erzählt eine andere Geschichte: Er freut sich auf die Wettkämpfe, er liebt es, sein Können zu zeigen und sich mit anderen zu messen. Er möchte auch unbedingt die Hürde ins Nationalkader schaffen und ist überzeugt, dass er das Zeug dazu hat. Er trainiert hart und ordnet seine ganze Freizeit dem Judo unter.

Im Training fühlt er sich wohl, er weiss stets, wie er gegen seine Gegner kämpfen muss. Aber wenn er im Wettkampf die Matte betritt, dann ist alles wie weggeblasen: Blockiert, da ist einfach kein Gedanke mehr. So überlässt Tim den Kampf seinem Gegner und verliert oft schon in der ersten Runde.

Tim hat schon viel probiert, hat sich Strategien zurechtgelegt, hat analysiert und sich hinterfragt, doch er findet einfach nicht heraus, was los ist. So kommt seine Mutter nach einiger Zeit auf die Idee, dass ihm Hypnose helfen könnte – und kommt mit Tim in meiner Praxis vorbei. Tim will wissen: Was ist los mit mir? Und kannst du mir diese Blockade bitte weghypnotisieren?

Blockiert – warum passiert mir das?

Geschichten wie die von Tim kennen viele Sportler: am Wettkampf auf einmal nicht mehr wissen, was man jetzt tun muss. Und in den meisten Sportarten ist es dann schon zu spät: Der Gegner hat sich den Ball geschnappt, der Punkt ist verloren oder die Zeit ist um. Und egal wie viel man danach analysiert, überlegt und nachdenkt – so richtig findet man den Grund nicht heraus.

Es gibt aber immer einen guten Grund für alle unsere Emotionen und Gedanken, sonst wären sie ja nicht da. Nur kommen wir mit unserem logischen Denken da nicht immer dahinter, welches denn der Grund ist. Und da kommt die Hypnose ins Spiel: In Hypnose setzt sich das logische Denken in eine Ecke und schaut zu, während das Unterbewusste zu Wort kommt. Unsere Ängste und Blockaden entstehen nämlich unterbewusst – aber wie?

In unserem Unterbewusstsein sind all unsere Erinnerungen gespeichert. Und nicht nur das: Wir speichern auch ab, welche Emotionen wir mit dieser Erinnerung verknüpfen. Erinnerst du dich an den Film „Alles steht Kopf“*? Dort sind die Erinnerungen in Glaskugeln gespeichert und jede Kugel hat die Farbe des Gefühls, mit dem sie verbunden ist.

Auf Grund von unseren Erinnerungen und dem Gefühl, das damit verbunden ist, entscheidet unser Unterbewusstsein dann, wie wir auf eine aktuelle Situation reagieren: im Film etwa das Gefühl des Ekels, das auf den Plan tritt, wenn Broccoli auf der Pizza liegt.

Nun passiert es, dass wir zu einer Situation ein falsches Gefühl speichern: Du bist zum Beispiel krank, es ist dir schlecht und es riecht nach dem Flieder-Raumparfum, das deine Mutter gerade stolz nach Hause gebracht hat. Dein Hirn speichert Flieder = übel, obwohl das gar nichts miteinander zu tun hat. Gerade als kleine Kinder passiert uns das, weil wir noch nicht wissen, was ein Raumparfum und was ein Grippevirus ist.

In Hypnose, wenn man mit dem Unbewussten reden kann, kann man nun diese Situationen aufspüren – und genau das habe ich mit Tim gemacht. Tim hatte mir nämlich erzählt, dass er einmal an einem Wettkampf war, an welchem er von seinem Gegner geworfen wurde und nicht richtig abrollen konnte. Er war zwar nicht verletzt, hat sich aber doch weh gemacht. Und seither hat Tim die Blockade – obwohl er im Training genau bei diesem Wurf sehr gut fallen kann und ihm das auch nie wieder passiert ist.

In der Hypnose haben wir dann herausgefunden, dass dieser Wettkampf gar nicht die Ursache der Blockade ist! Die Ursache fanden wir in einer Szene, in welcher Tim als kleines Kind mit seinem kleinen Bruder raufte und dieser dabei die Treppe hinunterfiel. Seine Eltern schimpften mit Tim, weil er seinem Bruder weh gemacht hatte. Und seither hat Tim Angst, anderen weh zu machen – vor allem, wenn sie kleiner und schwächer sind als er.

Genau das ist Tim in den Wettkämpfen immer wieder passiert: Weil er sehr talentiert ist und hart trainiert, darf er mit der älteren und grösseren Gruppe trainieren. Dort hat er kein Problem, seine Gegner anzugreifen. Im Wettkampf wird aber streng nach Alters- und Gewichtsklasse eingeteilt, und da sind eben auch oft Gegner dabei, die kleiner und schwächer sind. Tims Unterbewusstsein holt dann die Erinnerung hervor und verbietet ihm, selber aktiv zu werden – um dem Schwächeren nicht weh zu tun.

In der Hypnose hat Tim also endlich erkennen können, warum er blockiert war. Das hat ihm schon sehr viel geholfen: Nein, du bist nicht verrückt und auch kein „Trainingsweltmeister“ sondern jemand, der (zu) sehr auf seine Mitmenschen achtet und Rücksicht nimmt.

Wie funktioniert das?

Hypnose ist nichts anderes als ein Zustand unseres Hirns und Körpers, grob gesagt irgendwo zwischen Wachsein und Schlaf. Wenn du zum Beispiel tagträumst, dann bist du in einer leichten Hypnose. In diesem Zustand denkt man in Bildern und das logische Denken tritt in den Hintergrund.

Wie Tims Geschichte zeigt, kann man dadurch Gefühle und Erinnerungen hervorholen, die sonst durch unser logisches Denken blockiert werden. Oft höre ich von Klienten Dinge wie „Ja, da bin ich mal gestürzt, aber das habe ich verarbeitet, das kann nicht der Grund sein!“ – weil das logische Denken keinen Grund mehr sieht, Angst zu haben. Angst wird aber nicht vom logischen Denken gesteuert; und damit bleibt bei mir dann immer die Frage: Hat auch dein Unterbewusstes den Sturz verarbeitet?

Hypnose ist also ein sehr gutes Werkzeug, um Emotionen und Glaubenssätze in unserer Erinnerungs-Bibliothek zu finden und zu verändern – ohne dass wir vorher wissen müssten, um welche Erinnerung es konkret geht.

Und weil Erinnerungen und die Gefühle, die wir damit verbinden, unser zukünftiges Verhalten bestimmen, kann man sich so ein Stück weit auch für die Zukunft „programmieren“. Als Leser von Martins Blog kennst du das bereits: Visualisieren und Selbstgespräche üben. Beide Techniken kann man in normalem Zustand machen – oder eben im „entspannten“ Zustand, in Hypnose. Untersuchungen haben gezeigt, dass sie dann sogar besser wirken!

Hypnose im Sport

Hypnose ist im Sport nicht neu: Das Autogene Training ist eine Form der Selbsthypnose und wurde von seinem Erfinder explizit als solche entwickelt.

Die meisten Leute machen Autogenes Training, um sich zu entspannen und zu erholen – und dabei hilft es auch: Körper und Geist erholen sich mehr, als wenn wir uns einfach hinlegen – und sogar mehr, als wenn wir die gleiche Zeit mit Schlafen verbringen. Aber Autogenes Training bringt dich eben auch in den Hypnose-Zustand.

Vielleicht kennst du aus dem Autogenen Training auch die Autosuggestionen: Sätze, die man für sich immer wieder wiederholt. Zum Beispiel: „Ich bin ganz ruhig“ oder „Meine Aufschläge gelingen mir jeden Tag besser“. Wenn man sich so einen Satz im Kopf immer wieder wiederholt, dann beginnt man daran zu glauben:
Je öfter du dir deine Suggestion innerlich vorsagst, desto mehr wirkt sie.
Suggestionen wirken stärker, wenn du sie dir in Hypnose vorsagst.

Probier’s aus:

Was ist dein Satz? Dein Suggestions-Satz sollte:

  • Positiv sein (also: „Ich laufe bis zum Ende“ und nicht „Ich werde nicht aufgeben“)
  • Kurz sein (also: „Nur dieser Punkt“ und nicht: „Ich spiele diesen Punkt, der jetzt gerade ansteht, weil alle anderen Punkte erst danach kommen und …“)
  • In der Gegenwart sein (also: „Ich ziehe durch“ und nicht „Ich werde durchziehen“)

Wenn du Autogenes Training beherrschst, kannst du am Ende der Übung einfach einige Male deinen Satz für dich wiederholen. Oder du hängst diesen Satz an die Ruhe-Übung an: „Ich bin ganz ruhig. Mut tut gut.“

Wenn du noch kein Autogenes Training kannst, dann empfehle ich dir natürlich wärmstens, es zu lernen ☺. Du kannst es dir aber auch einfach in einem Sessel bequem machen, einige Male tief durchatmen, dir vorstellen, wie dein Körper sich entspannt und nach ein, zwei Minuten für dich deinen Satz einige Male wiederholen. Dazu eignen sich übrigens Zugfahrten oder Wartezeiten vor und während dem Training bestens!

Im Sport kann man die Hypnose also mehrfach brauchen:

  • Zur Entspannung und Erholung
  • Zur Vertiefung von Selbstgesprächen und Visualisieren (auch Visualisieren hat einen stärkeren Effekt, wenn man es in Hypnose-Zustand macht)
  • Um mit Hilfe eines Hypnotiseurs Ängste, Blockaden oder Ähnliches aus dem Weg zu räumen, dem du mit den „klassischen“ Techniken des Mentaltrainings nicht beikommst.

Nachdem ich mit Tim also die Ursache seiner Blockade gefunden hatte, habe ich ihm Autogenes Training gezeigt. Er hat für sich den Satz „Ich werfe richtig“ gefunden: Mit der richtigen Technik, in der richtigen Kraft, mit der richtigen Geschwindigkeit – damit der Wurf gelingt, der Gegner aber auch sicher abrollen kann und sich nicht verletzt. Und weil Tim weiss, dass Visualisieren stärker wirkt in Hypnose, stellt er sich jeweils am Ende des Autogenen Trainings, wenn er ganz entspannt ist, ein paar solcher Würfe vor. Blockaden hat er seither keine mehr.

Über die Autorin

katrin-bretscher
Katrin Bretscher ist Mentaltrainerin IAP (Mitglied der SASP), Hypnose-Coach und Trainerin für Autogenes Training. Sie hat eine eigene Praxis in Zürich und ist daneben bei den Young Flyers (Nachwuchs-Organisation des EHC Kloten, EHC Winterthur, EHC Bülach und EV Dielsdorf-Niederhasli) für die Ausbildung im Bereich Mentaltraining zuständig.
Webseite: www.power-and-balance.ch

*Affiliatelink

 

Besser sein, wenn's zählt!
3 bewährte Sport-Mental-Techniken helfen dir dabei