Nur für Warmduscher? 8 Mythen vs. knallharte Fakten zum Sport-Mentaltraining

„Wenn du einen Psychodoktor für deine Rübe brauchst, dann hast du im Leistungssport nichts verloren.“

Diese Aussage machte Faris al Sultan in einem Interview vor der Ironman-WM 2017.
Im gleichen Interview sagte er:

„Ein wichtiger Faktor ist dabei auch die ‚Rübe’ von den Leuten – das ist das A und O, da spielt sich viel ab. Es ist elementar, dass die Leute mentale Zuversicht haben, um gut zu trainieren, sich geistig wohl zu fühlen und auch, um gute Wettkämpfe zu bestreiten.“

„Die Basis für einen Profi-Triathleten ist, dass er auf Wettkämpfe geht, schneller werden will als andere und mental fokussiert ist.“

Das ganze Interview findest du hier. Faris steht stellvertretend für Trainer und Athleten, die denken, dass psychologisches und Sport-Mentaltraining für Warmduscher und Problemathleten ist. Gut möglich, dass sie damit auf dem Holzweg sind.

Vielleicht ist sich Faris nicht bewusst, dass er sich in diesem Interview selber widerspricht. Er nennt den mentalen Fokus als wichtige Fähigkeit. Seine Aussagen und Widersprüche lassen vermuten, dass er das Sport-Mentaltraining/sportpsychologische Training und die damit verbundenen Möglichkeiten nicht kennt. Nur so kann ich mir seine unqualifizierte Aussage erklären.

Im Sport und in der Sportpsychologie gibt es diverse Vorstellungen und Mythen, die sich hartnäckig halten. Aus Unwissen oder Desinteresse? Manche denken, mentale Stärke ist angeboren. Auch das ist ein Irrglaube. Höchste Zeit, damit aufzuräumen!

Mythos Nr 1: Mentale Stärke ist angeboren

Viele Sportler und Nichtsportler sind überzeugt, dass „mentale Stärke“ angeboren ist. Das ist Schwachsinn.

Mentale Stärke ist ein Paradebeispiel für ein trainierbares Persönlichkeitsmerkmal.

Athleten, die während ihrer Entwicklung schon viele Hürden meistern mussten, haben meistens einen Trainingsvorsprung. Sie mussten dieses Persönlichkeitsmerkmal bereits in ihrem Alltag trainieren und entwickeln. Das wird fälschlicherweise oft mit „angeboren“ verwechselt.

Mentale Stärke entsteht einerseits durch das selbstständige und erfolgreiche Bewältigen von „Schwierigkeiten“ und andererseits durch gezieltes und systematisches Training.

Mythos Nr 2: Nur mentale Stärke führt zum Erfolg

Von Mentaltrainern und Sportlern hört man häufig, dass 80 % der Leistung Kopfsache ist und nur der Kopf über Sieg oder Niederlage entscheidet. Ich finde solche Aussagen sehr ungeschickt, da sie ein komplett falsches Bild vom Spitzensportlerdasein und der Realität vermitteln.

Auch wenn deine Gedanken zu 100 % im Kopf entstehen: Du kannst im Kopf noch so stark sein, wenn dein Trainingsaufbau nicht stimmt, deine technischen Fähigkeiten nicht ausreichend sind oder du mit schlechtem Material unterwegs bist … wirst du das mit dem Kopf und mentaler Stärke nie und nimmer kompensieren können.

Mentale Stärke ist ein Faktor, der deine Leistung wie deine physischen und technischen Fähigkeiten beeinflusst.

Hand aufs Herz: Wie viel von deiner Trainingszeit investierst du in Sport-Mentaltraining oder in deine Persönlichkeitsentwicklung?

Wenn das Sport-Mentaltraining für 80 % deiner Leistung verantwortlich ist, warum investierst du dann nicht mehr deiner Trainingszeit in deine wichtigste Fähigkeit?

Mythos Nr 3: Das brauchen nur Warmduscher und Problemathleten

Diese Meinung wird leider immer noch von vielen Trainern und Athleten geteilt. Die Medien tragen auch ihren Teil dazu bei. Diese stellen Sportler in den Vordergrund, die nach schweren Verletzungen oder psychischen Problemen den Weg zurück mit der Unterstützung eines Sportpsychologen oder Mentaltrainers fanden.

Psychologisches und Sport-Mentaltraining ist sinnvoll und angebracht, bevor die Probleme da sind.

In der Wettkampfvorbereitung machst du dir ja auch schon vorher Gedanken darüber, wie der Trainingsaufbau und die Periodisierung sein muss, welches Material du bei welchen Bedingungen einsetzen wirst. Damit bist du fit, wenn es am Tag X darauf ankommt, und du hast das richtige Material für die entsprechenden Bedingungen dabei. Logisch, oder?

Entwickelst du deine Persönlichkeit und deine Psyche gleichermassen, steht dir im entscheidenden Moment auch das „richtige Gedanken-Material“ zur Verfügung. Das gibt dir ganz andere Möglichkeiten, wenn eine neue Situation eintritt oder du eine Schwierigkeit bewältigen musst. Aus einem ganz einfachen Grund: Weil du darauf vorbereitet bist und nicht mehr denken musst.

Dann bist du am Tag X besser, wenn’s zählt.

Mythos Nr 4: Wenn es drauf ankommt, denke ich dann schon daran

Diesen Satz höre ich (zu) oft. Leider wird im Wettkampf-Stress vieles vergessen, weil deinem Verstand nur beschränkte Kapazität zur Verfügung steht. Du hast eine tolle Wettkampf-Strategie gehört und meinst zu wissen, wie du diese im Wettkampf anwenden solltest.

Dieses Wissen alleine bringt dich noch nicht weiter. Vor allem, wenn die neue Strategie vor dem wichtigen Wettkampf nicht oder ungenügend geprobt wurde.

Trainierst du deine neue Strategie oder dein gewünschtes Verhalten jedoch systematisch, dann wird diese zu einem Automatismus. Diesen kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in einer Belastungssituation abrufen, selbst wenn dir alles um die Ohren fliegt.

Das Unbewusste ist nämlich nicht fehleranfällig wie der Verstand.

Mythos Nr 5: Du musst nur positiv denken

Bei Motivationsgurus, „Tschakka“-Anhängern und in der Ratgeberliteratur hat das positive Denken einen hohen Stellenwert. Sie stehen in der ersten Reihe, wenn es um Motivation geht.

Ob dich das deinem Ziel näherbringt? Ich habe da meine Zweifel.

Alleine mit positivem Denken gewinnst du keinen Blumentopf. Vor allem dann nicht, wenn es von deinem Unbewussten nicht unterstützt wird. Wenn du dir einredest, dass alles gut ist, dir das Wasser aber bis zum Halse steht, wird das kaum zielführend sein. Dein Unbewusstes wird dir andere Signale senden und sich querstellen. Dann kann der „Positivismus“ sogar kontraproduktiv sein und zum Bumerang werden.
Es gibt weitaus bessere Strategien, als dir einzureden, dass alles toll ist und es schon gut kommt. Davon habe ich auch schon geträumt. 😉

In diesem Artikel findest du eine bessere Strategie.

Mythos Nr 6: Du musst es nur ganz fest wollen

Die Aussage kommt dir bekannt vor? Einfach noch länger und intensiver versuchen. Am besten kombiniert mit positivem Denken, oder?

Wenn du etwas zu sehr willst, kann es danebengehen. Warum das so ist? Das ist ein paradoxer Effekt. Je mehr du etwas willst, desto grösser wird deine Handlungshemmung.

Und im Wettkampf brauchst du ja möglichst viel Handlungsenergie. Das erreichst du vor allem mit einer guten und positiven Stimmung!

Ein wenig Gelassenheit und Spass vor dem Wettkampf können manchmal „Wunder“ bewirken und dir Handlungsenergie geben.

Du glaubst mir nicht? Check it out.

Mythos Nr 7: Du musst deinen „inneren Schweinehund“ besiegen

Schon alleine die Herkunft von diesem Ausdruck verursacht mir Bauchschmerzen. Sie stammt nämlich aus dem Dritten Reich, weil die Soldaten für ihre Gräueltaten ihren inneren Schweinehund überwinden mussten.

Einen inneren Schweinehund gibt es nicht! Das ist lediglich ein Motivkonflikt, bei dem Verstand und Unbewusstes unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Dein Unbewusstes ist deine stärkste und wichtigste Ressource. Diese Kraftquelle als „inneren Schweinehund“ zu bezeichnen und mit dem Verstand bezwingen zu wollen, macht einfach keinen Sinn. Da gehst du immer als Verlierer vom Platz.

Viel cleverer ist es, mit deinem Unbewussten gemeinsame Sache zu machen und es dir ins Boot zu holen.

Wie das geht, lernst du in diesem und diesem Training.

Mythos Nr 8: Nur mit viel Disziplin kannst du als Leistungssportler erfolgreich sein

Auch das halte ich für einen Mythos. Hätte ich nur die Disziplin von Roger Federer, dann … Glaubst du im Ernst, Roger Federer wäre mit reiner Disziplin so weit gekommen? D.h., wenn er sein Unbewusstes regelmässig gewürgt, an die Leine genommen und auf den Platz geschleift hätte?

Wohl kaum. Roger Federer sieht man die Freude und den Spass auf dem Tennisplatz an. Ohne diese Fähigkeit hätte er sein Comeback nach seiner Knieverletzung nicht gepackt. Offensichtlich hat er sein Unbewusstes im Boot.

Logisch gibt es Trainingsformen, die nicht so toll sind, bei denen du dich auch einmal überwinden musst. Das ist o.k. Sich andauernd zu disziplinieren ist jedoch alles andere als zielführend.

Du brauchst vor allem Begeisterung und Freude für deinen Sport. Wenn du ein motivierendes Ziel hast, wirst du dafür brennen und musst dich nicht zum Training zwingen.

Wenn Verstand und Unbewusstes synchronisiert sind, dann entsteht Willenskraft und die Kraft aus dem Selbst!

Fazit

Sport-Mentaltraining (Sportpsychologisches Training) ist für Athleten, die wissen, wie der Hase läuft und ihr volles Leistungspotenzial am Tag X gezielt abrufen wollen.

Wenn du mental gut vorbereitet bist, dann ist deine „Rübe“ am Tag X voller Zuversicht und Selbstvertrauen. Cool, oder?

Nutze deine Möglichkeiten

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit mentaler Stärke alles etwas einfacher geht.
PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht es noch einfacher.

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