Wie du die Macht der Aufmerksamkeit für bessere Leistungen nutzt

Du stehst am Start und wartest auf das Startkommando.

Deine Aufmerksamkeit wandert zwischen verschiedenen Eindrücken hin und her.

Du weisst, dass dir dieser Start gelingen muss. Eine zweite Chance bekommst du nicht. Jetzt, am Tag X, zählt nur eins: deine beste Leistung abzurufen.

Du fühlst die Spannung in deinem Körper und wie dein Herz in der Brust hämmert.

Links und rechts von dir sind deine Kontrahenten. Das übliche Szenario: einer versucht dich abzulenken und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die Zuschauer und deine Teamkollegen rufen dir zu und machen gehörig Stimmung.

Und auf was richtest du du deine Konzentration und deine Aufmerksamkeit?

Bist du voll auf den Start konzentriert? Ist deine Aufmerksamkeit bei deinen Kontrahenten? Oder lauschst du den Rufen der Zuschauer und Teamkollegen?

Wie du deine Aufmerksamkeit steuerst und auf was du sie lenkst, entscheidet über Erfolg und Misserfolg.

Nicht jedem Sportler gelingt es, seine Aufmerksamkeit in die gewünschte Richtung zu lenken. Dann sind der Fokus und die Konzentration nicht da, wo sie sein sollten.

Aufmerksamkeit und Konzentration

Im Wettkampf hast du nur ein Ziel: Dich voll auf deine Aufgabe zu konzentrieren und dich von nichts und niemandem ablenken zu lassen.

Wenn du abgelenkt bist und du deine Aufmerksamkeit nicht wie gewünscht steuern kannst, sagst du hinterher: „Ich konnte mich nicht mehr hundertprozentig konzentrieren.“

Abhängig vom Zeitpunkt und der Wettkampfsituation musst du deine Aufmerksamkeit anpassen und dich auf einen anderen Bereich konzentrieren.

Du kannst dir das vorstellen wie im Theater. Der Beleuchter hat die Aufgabe, die Bühne richtig in Szene zu setzen. Abhängig von der Dramaturgie leuchtet er zum Beispiel die Bühne ganz aus, damit der Zuschauer einen guten Überblick hat. Wenn das Publikum die Aufmerksamkeit auf einen Schauspieler richten soll, setzt der Beleuchter dagegen einen Spot nur auf diesen.

Wenn der Beleuchter seine Aufgabe gut macht und die Aufmerksamkeit des Zuschauers geschickt mit seinem Licht steuert, wird die Vorstellung ein Erfolg. Wenn nicht …

Bei dir ist das nicht anders, oder?

Möchtest du, dass deine Vorstellung ein Erfolg wird?

Vier Formen der Aufmerksamkeit

Der Sportpsychologe Robert Nideffer unterscheidet vier Formen der Aufmerksamkeit.

4 Formen der Aufmerksamkeit

External-weit

Mit einer nach aussen-weit gerichteten Aufmerksamkeit kannst du komplexe Situationen „lesen“ und dir eine guten Überblick über eine Situation verschaffen.

Das machst du beispielsweise, wenn du an einen neuen Wettkampfort kommst. Du sammelst Informationen über die wichtigsten Gegebenheiten und verschaffst dir einen Überblick.

In Spielsportarten ist die Aufmerksamkeit external-weit, wenn du beispielsweise einen Konter lancierst. Dann verschaffst du dir zuerst einen Überblick, wo deine Teamkollegen und Gegner stehen, bevor du den Angriff auslöst.

External-eng

Eine nach aussen-eng gerichteten Aufmerksamkeit brauchst du, um spezifische Situationen ins Auge zu fassen und auf diese Anforderung zu reagieren.

Bei einem Freiwurf im Basketball richtest du deine Konzentration und Aufmerksamkeit auf den Korb, bevor du wirfst.

Als Fechter ist deine volle Aufmerksamkeit beim Gegner, damit du situativ reagieren kannst, wenn sich eine Chance für einen Angriff bietet oder du einen Angriff parieren musst.

Internal-weit

Wenn du dir ein Bild von deinem eigenen Befinden machst, ist deine Aufmerksamkeit nach innen-weit gerichtet. Du hörst in dich hinein und machst dir ein Bild darüber, wie du dich fühlst.

Wie geht es mir?

„Ich fühle mich wohl“ oder „ich fühle mich unwohl.“

Es ist wichtig, dass du dich selber spürst, damit du auch gegensteuern kannst, um beispielsweise fit am Start zu stehen oder im Wettkampf clever zu agieren.

Internal-eng

Eine internal-eng gerichtete Aufmerksamkeit hilft dir, „in dich hineinzuhören“. Das ist wichtig für die Selbstwahrnehmung. Deine Aufmerksamkeit ist internal-eng, wenn du dich auf einen inneren Punkt deines Körpers konzentrierst.

Das machst du beispielsweise, wenn du Rücken- oder Knieschmerzen hast. Das kann auch mentale Vorgänge betreffen, z.B. wenn deine Gedanken nur noch um ein Thema kreisen.

Diese Aufmerksamkeitsform brauchst du auch für das mentale Training.

Aufmerksamkeit steuern

Für eine Top-Leistung musst du in der Lage sein, deine Aufmerksamkeit in jedem Moment richtig zu steuern.

Für das einfachere Verständnis habe ich ein paar Beispiele für dich.

Ein Biathlet richtet seine ganze Konzentration und Aufmerksamkeit auf die Scheibe. Den Finger am Abzug beobachtet er seine Atmung, um im richtigen Moment den Druck am Abzug zu erhöhen und den Schuss auszulösen.

Ein Boxer oder ein Fechter hat seinen Gegner immer im Visier und muss in der Lage sein, blitzschnell zu agieren, wenn sich eine Möglichkeit für einen Treffer bietet, oder zu reagieren, um einen Treffer zu verhindern.

Im Vergleich zu einem Schützen oder einem Fechter muss ein Basketballer im Spielaufbau (oder in der Verteidigung) das ganze Spielgeschehen auf dem Schirm haben. Bei einem Korb- oder Freiwurf verengt sich der Fokus auf den Korb.

Ein 5’000-m-Läufer konzentriert sich im Training auf einen spezifischen Bewegungsablauf (Technik) und wie sich die Bewegung anfühlt, wenn er diese ausführt. Was seine Trainingskollegen in diesem Moment machen, hat für ihn keine Relevanz. In einem taktischen Wettkampf muss er seine Konkurrenten und das Geschehen auf der Bahn jedoch gut im Blick haben.

Das Drehbuch für deine Aufmerksamkeitsregulation

Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wohin du deine Aufmerksamkeit während eines Wettkampfes lenkst und welche Form der Aufmerksamkeit zu welchem Zeitpunkt des Wettkampfes gefragt ist?

Eine gute Hilfe dazu ist ein Aufmerksamkeitsregulations-Drehbuch. In diesem definierst du, zu welchem Zeitpunkt du den Fokus auf welche Situation lenken möchtest. Die Aufmerksamkeit kannst du nach aussen lenken, z.B. auf das Verhalten des Gegners, oder nach innen richten, z.B. auf die Herzfrequenz. So wie es deine Situation und deine Sportart erfordern.

Es gibt zwei Varianten, wie du das in Angriff nehmen kannst:

Variante 1: Chronologisch

In dieser Variante machst du dir einen chronologischen Ablauf und ordnest die Aufmerksamkeitstypen zu.

Bei einem 5’000-m-Läufer könnte das so ausschauen (exemplarisch):

Vor dem Wettkampf

Erstes Training im Stadion:
Übersicht verschaffen und orientieren, mit der Bahn und den Gegebenheiten vertraut werden (external-weit)
Allgemeine Befindlichkeit prüfen (internal-weit)

Vor dem Wettkampf:
Nach dem Einlaufen in der Garderobe „Atem zählen“ (internal-eng)

Unmittelbar vor dem Start:
Psychospiele mit Läufer A. Diesen vor dem Start beeindrucken und von der eigenen Stärke überzeugen (external-eng)

Im Wettkampf

Verhalten/Taktik von Läufer A und B beobachten (external-eng)

Mein Allgemeinbefinden prüfen und mich gut wahrnehmen (internal-weit

Herzfrequenz und Atmung beobachten (internal-eng)

Bei 3200-m-Marke Gegner (external-eng) und meine Atmung (internal-eng) checken.

150 m vor dem Ziel langen Sprint aus dritter Position lancieren (external-eng)

Variante 2: Matrix

Aufmerksamkeitsregulation Drehbuch

Hier geht es darum, dass du dir bewusst wirst, wann du dich auf was konzentrieren musst und wie du deine Aufmerksamkeit situativ in die richtigen Bahnen lenkst.

Einmal aufschreiben und dann vergessen – das funktioniert leider nicht. Im mentalen Training führt der Erfolg über regelmässiges Üben und Training. Darin unterscheidet sich das mentale Training nicht vom Technik- oder vom körperlichen Training.

Aufmerksamkeitregulation trainieren

Jeder Athlet hat Präferenzen hinsichtlich der Ausrichtung seiner Aufmerksamkeit. Deshalb fällt es dem einen leichter, sich auf den Gegner zu fokussieren, während der andere jederzeit einen ausgezeichneten Überblick über die Spielsituation hat und blind weiss, wer sich gerade wo befindet.

Was heisst das für dich?

Lerne, deine Aufmerksamkeit zielgerichtet zu steuern, damit du entsprechend der Anforderung virtuos zwischen den vier Aufmerksamkeitsformen hin- und herwechseln kannst.

Dir fällt es schwer, eine Situation als Ganzes zu erfassen? Laufe in ein Sportstadion oder eine Sporthalle hinein. Verweile dort fünf Minuten und verlasse das Stadion. Nun schreibst du alles auf, was du wahrgenommen hast.

Deine Gegner überraschen dich immer wieder mit Aktionen, die du hättest wahrnehmen sollen? Schau dir das Video von einem Wettkampf an und richte deine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aktion (z.B. eine Täuschung, Finte, bestimmten Schlag etc.)

Du hast Mühe, dich zu konzentrieren? Dann kannst du z.B. mit Atemzählen deine Aufmerksamkeit nach innen lenken.

Diese Übungen sind natürlich auch abhängig von der Sportart. An einen Basketballspieler werden hinsichtlich der Aufmerksamkeit andere Anforderungen gestellt als an einen Schützen oder einen Leichtathleten.

Fazit

Wo du deine Aufmerksamkeit hast, beeinflusst deine Leistung erheblich.

Wenn du deine Aufmerksamkeit gezielt steuern kannst, dann bist du unter (fast) allen Bedingungen in der Lage, deine Leistung am Tag X abrufen.

Du kannst lernen, deine Aufmerksamkeit gezielt zu steuern.

Einen wichtigen Aspekt haben wir noch nicht beleuchtet.

Oft wird vergessen, dass du dich auf das konzentrieren solltest, was du jetzt in diesem Moment tust. D.h. deine Aufmerksamkeit und dein Fokus sind im „Hier und Jetzt“. Im aktuellen Fall bei diesem Artikel und dem Wort, das du jetzt gerade liest.

Welchen Hasen jagst du?

Du stehst am Start und wartest auf das Startkommando und weisst, dass es gut kommt. Weil deine Aufmerksamkeit jetzt am richtigen Ort ist.

Ich wünsche dir ganz gutes Gelingen beim Trainieren. Wenn du noch Unterstützung brauchst, kannst du mich hier gerne kontaktieren.

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit mentaler Stärke alles ein wenig einfacher geht.

 

 

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