Nicht du bist das Problem, sondern deine Angst

Bis zum Start sind es noch 30 Minuten. Deine Anspannung steigt. Auf einmal bekommst du feuchte Hände, der Schweiss läuft dir kalt den Rücken hinunter, dein Puls pocht heftig bis in den Kopf und du verkrampfst dich.

Jetzt macht sich dieses unangenehme Gefühl in der Magengegend breit.

Du kannst es nicht kontrollieren. Es wird immer stärker und du versuchst verzweifelt dieses Gefühl wieder loszuwerden.

Die Alarmglocken in deinem Kopf werden immer lauter bis du das Gedröhne kaum mehr aushalten kannst.

Du hast Angst.

Du willst aus dieser Situation flüchten, dich unsichtbar machen und im Erdboden versinken.

„Hoffentlich bemerkt niemand meine Angst“, geht dir durch den Kopf.

Doch auf einmal hast du die rettende Idee.

Die Alarmglocken verstummen, dein Puls sinkt und du entspannst dich. Du bist wieder Herr der Lage.

Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Der Wettkampf kann kommen.

Das was ich gerade beschrieben habe, ist eine kontrollierte Stressreaktion.

Angst hat viele Gesichter

Angst ist eine emotionale Reaktion auf eine subjektiv erlebte Bedrohung.

Wie stark sich diese bemerkbar macht, hängt von der gefühlten Stärke der Bedrohung ab. Oft ist es schwierig, die Angst als klare Ursache für ein Verhalten zu identifizieren.

Was als Angst empfunden wird, ist sehr individuell. Die Auswirkungen hingegen nicht.

Auswirkungen auf deinen Körper

Ein erhöhter Puls, eine schnelle und flache Atmung oder erweiterte Pupillen sind deutliche Zeichen für Angst, die du bei dir und anderen wahrnehmen kannst. Angst führt auch dazu, dass dein Körper mit Stresshormonen geflutet wird.

Auswirkungen auf deine Bewegungen

Mit einer erhöhten Anspannung leidet deine Bewegungsausführung. Du wirst verkrampft und das Timing und der Rhythmus passen nicht mehr. Du kannst deine Bewegung nicht mehr mit der Leichtigkeit wie im Training ausführen.

Auswirkungen auf dein Verhalten

Angst kann sich sehr unterschiedlich auf dein Verhalten auswirken. Du vermeidest beispielsweise Situationen die bei dir mit Angst verbunden sind oder du zögerst, wenn es entscheidend ist. Vielleicht reagierst du aggressiv (Kampf) oder du machst dich selber klein.

fight, flight, freeze

Erstaunlicherweise hält sich der Mythos hartnäckig, dass Angst im Wettkampf motiviert. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies aus dem „fight“ der Aussage

fight, flight, freeze

abgeleitet wird.

Wenn wir Angst haben und uns in einer bedrohlichen Situation befinden, sichern diese drei Verhaltensweisen unser Überleben.

Ist dieser Überlebenskampf wirklich motivierend? Wohl eher ein Notfallprogramm.

Aus meiner Erfahrung führt Angst in erster Linie zu Blockaden und Leistungseinbussen. Sportler „stehlen“ sich aus der Situation heraus und werden beispielsweise kurz vor dem Wettkampftag krank. Oder sie frieren auf dem Startblock ein und werden handlungsunfähig.

Angst wirkt

Angst hinterlässt immer eine Wirkung. Nebst den vielen negativen Aspekten hat Angst auch durchaus eine positive Wirkung. Sie warnt uns vor gefährlichen Situationen und lässt uns vorsichtig sein, damit wir nicht ins Verderben rennen.

Wenn du beispielsweise vor einem Abgrund oder einem gefährlichen Tier gegenüber stehst. In zweiten Fall kann Angst auch aktivieren. Damit du bereit für die Flucht bist. Das bedingt jedoch, dass du die Situation richtig einschätzt. 😉

In den meisten Fällen wirkt sich Angst jedoch negativ aus.

Angst stört dich

Es beeinflusst deine Koordination und deinen Bewegungsablauf negativ, weil du dich nicht mehr entspannen kannst. Du bist auch nicht mehr in der Lage, Informationen vom Coach oder Teamkollegen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Angst hemmt dich

Dein Mut geht verloren und kreative Lösungen treten in den Hintergrund, weil du den Zugang zu deinen Ressourcen verlierst. Du bekommst einen Tunnelblick. Kannst dich nicht mehr entfalten und folglich auch dein Leistungspotenzial nicht abrufen.

Angst macht dich hilflos

Weil dir der Zugang zu deinen Ressourcen verwehrt bleibt und du keine Lösungen findest, wirst du hilflos. Das kann sogar zu einem negativen Selbstbild und Selbstzweifeln führen.

„Ich bin nichts und ich kann nichts.“

Angst macht dich defensiv

Ängstliche Athleten verteidigen das was sie haben. Sie lenken ihre Aufmerksamkeit nicht auf das Ziel und das was sie erreichen können. Eine offensive Haltung führt dich eher ans Ziel. 😉

Angst lässt dich vermeiden

Bedrohliche Situationen und solche die schon durch Angst geprägt sind, vermeidest du. Das wiederum hemmt deine Entwicklung und die Aussicht auf Erfolg.

Angst ist ansteckend

Ein Coach oder ein Teamkollege mit Angst, kann dich anstecken und umgekehrt. Was das für einen Einfluss hat, muss ich nicht mehr erklären.

Angst ist ein schlechter Begleiter

 Direkt in die Sackgasse

Wenn du dieses unangenehme Gefühl in der Magengegend nicht los wirst, werden die Alarmglocken in deinem Kopf immer lauter, bis du das Gedröhne kaum mehr aushalten kannst.

Du hast Angst.

Mit einer Lösung, verstummen die Alarmglocken. Doch was passiert, wenn du keine Lösung findest?

Du rennst immer wieder in die gleiche Sackgasse. Einmal, zweimal, dreimal, .. Du nimmst einfach mehr Anlauf und bist in deiner Routine gefangen. In einer noch nie dagewesene Situation scheinen alle Wege blockiert zu sein.

Jetzt ist in der Teufel los in dir!

Dein Körper wird jetzt richtig mit Stresshormonen geflutet, dein Herz rast, die Atmung ist schnell und der Mund trocken. Du läufst auf dem letzten Zacken und hoffst auf ein Wunder.

Deine Selbsteifel werden immer grösser, du machst dir Sorgen und wirst mut-, saft- und kraftlos.

Jetzt hoffst du nur noch, dass diese Situation so schnell wie möglich vorbei geht und du wieder nach Hause gehen darfst.

Das ist eine unkontrollierte Stressreaktion.

Körperlicher-, emotionaler- und mentaler Stress haben eine Gemeinsamkeit. Sie zehren massiv an deinen Energiereserven und wirken sich negativ auf deine Leistung aus.

Insbesondere dann, wenn du nicht in der Lage bist, deine Angst zu regulieren.

Ängste leugnen

Ängste zu leugnen ist eine weit verbreitete Strategie bei Jungs und Männern. Schliesslich will keiner ein Weichei sein. Klar kannst du dir einreden, dass du alles im Griff hast. Wenn diese Einbildung jedoch nicht von deinem Unbewussten unterstützt wird (weil es nicht im Boot ist), dann hast du schlechte Karten.
Verdrängst du Ängste über einen längeren Zeitraum ohne sie zu bewältigen wird das zum Problem.

Das ist eine Sackgasse.

Es gibt bessere Strategien mit Angst umzugehen.

Die meisten Ängste sind gelernt. Etwas dass du gelernt hast, kannst du auch wieder verlernen. Dafür musst du auch Entscheidungen treffen.

Im Laufe deines Sportlerlebens hast du schon viele gute Entscheidungen getroffen und Ängste erfolgreich bewältigt.

Umgang mit Angst

Es gehört Mut dazu, sich seiner Angst zu stellen und sie auszuhalten. – Hoimar von Ditfurth

Soziale Unterstützung

Es gibt einen schönen Versuch der aufzeigt, wie Angst durch soziale Unterstützung bewältigt werden kann.

Wissenschaftler testeten ein Präparat gegen Angst. Dazu wurde ein Affe in einen Käfig gesetzt und einem knurrenden Hund ausgesetzt, der um den Käfig lief. Natürlich hatte der Affe Angst und seine Stresshormone sind massiv angestiegen.

Nun wurde ein zweiter Affe (ein Buddy vom ersten) mit dem Testpräparat gegen Angst zum ersten Affen in den Käfig gesetzt und das Szenario wiederholt.

Bei den Messungen stellten die Wissenschaftler fest, dass die Stresshormone beim Affen mit dem Testpräparat nicht angestiegen waren. Er zeigte in dieser Situation weder Angst noch Stress. Das Präparat wirkte; dachten sie wenigstens.

Als sie auch die Blutwerte des ersten Affen analysierten, machten sie grosse Augen. Auch bei diesem gab es keine Anzeichen einer Stressreaktion im Blut. Seine Stresshormone sind nicht angestiegen!

Sie haben gemeinsam die Angst besiegt!

Erstaunlicherweise war dieser Effekt bei Affen aus unterschiedlichen Kolonien (kannten sich nicht) nicht messbar. Sie bekamen Angst, obwohl sie zu zweit im Käfig sassen.

Was heisst das nun für dich?

Ein Freund oder eine vertraute Person kann dir helfen, deine Angst zu bewältigen oder dich davor zu schützen. Deshalb sind Freunde, Familie und vertraute Personen so wertvoll. Und nicht nur deshalb.

Vor allem bei jüngeren Athleten, die noch nicht so erfahren sind, ist die soziale Unterstützung in ungewohnten Wettkampfsituationen ein wichtiger Faktor.

Unterstütze deshalb deine Teamkollegen wenn sie Angst haben. Und nimm Unterstützung von deinen Teamkollegen, Familie oder deinem Trainer an, wenn du Angst und Stress hast.

Selbstregulation

Emotionen und Stimmungen selber regulieren zu können sind Eigenschaften, die Top Athleten auszeichnen. Dadurch können sie besser mit Angst und Stress umgehen. Sie wissen wie sie ihr Erregungsniveau steuern können.

Dadurch können sie am Tag X ihr volles Leistungspotenzial abrufen.

Tipps und Strategien

1. Antizipieren

Unvorhergesehene und unbekannte Situationen sowie Umgebungen sind oft Ursachen für Angst und Stress bei Athleten.

Mit einer guten Vorbereitung kannst du schon viel unvorhergesehenes eliminieren. Überlege dir, welche Situationen auftreten könnten. Was könnte das Worst Case Szenario sein. Besuche die Wettkampfstätte im Vorfeld, wenn du vorher noch nie dagewesen bist oder informieren dich bei Teamkollegen. Dazu habe ich hier etwas geschrieben.

Mach dir einen Wenn-Dann-Plan für Situationen die kritisch sein könnten. Selbst wenn sie dir noch so banal erscheinen. Gerissene Schnürsenkel haben schon Wettkämpfe entschieden. Die Angst wegen eines gerissenen Schnürsenkels nicht rechtzeitig am Start zu stehen, bringt deinen Fokus definitiv aus dem Lot.

Solche Situation kannst du vorbereiten. Dann hast du bereits eine Handlungsoption und musst nicht noch lange eine Lösung suchen.

Wenn meine Schnürsenkel reissen, dann atme ich drei Mal tief durch und schnüre mit dem verbleibenden Stück nur die letzten drei Ösen. Einfach, oder?

Wenn du das tust, dann hast du weder Stress noch Angst.

2. Rituale

Rituale sind wertvolle Ressourcen, die dir Mut und Sicherheit geben sowie den Zusammenhalt im Team fördern. Der gewohnte Ablauf gibt dir Sicherheit und die Gewissheit, dass du die Situation kontrollierst und nicht umgekehrt.

Sie unterstützen dich dabei, dass die Angst gar nicht erst entsteht. Rituale werden immer von positiven Körpersignalen begleitet. Das sind klare Zeichen dafür, dass du das Unbewusste im Boot hast.

Achte darauf, dass du flexibel bleibst! Du wirst immer wieder mit aussergewöhnlichen Situationen konfrontiert werden, bei denen du deine Rituale nicht oder nicht wie gewohnt anwenden kannst.

Wenn du zwanghaft an deinem Ritual festhältst und dir keine alternativen Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, dann entsteht wiederum Stress und Unsicherheit.

Damit das nicht passiert, kannst du auch hier mit einem Wenn-Dann-Plan wirksam vorsorgen.

3. Gedankenstopp

Das ist der Klassiker, der in der Sportpsychologie sehr häufig Anwendung findet. Zurecht wie ich meine. Keiner redet soviel mit dir wie du selbst. Deshalb sollten Selbstgespräche so sein, dass sie für dich nützlich sind!

Wenn sich die Gedanken nur noch um Angst und den negativen Ausgang kreisen, ist das definitiv störend.

Dann solltest du diese Negativspirale unterbrechen. Sage dir laut „STOPP“ oder stelle dir vor dem inneren Auge ein Stoppschild vor. Danach lenkst du deine Gedanken und deine Aufmerksamkeit in eine Richtung, die für dich nützlich und unterstützend ist.

Gute und hilfreiche Selbstgespräche sind immer und zwingend realistisch!

4. Atmen

Angst zeigt sich unter anderem in deiner Atmung. Unter Angst wird deine Atmung flach, oberflächlich und schnell. Wie bei einer Dampflok. Nur nimmt die Dampflok mit zunehmender Frequenz Fahrt auf.

Je höher deine Frequenz wird, desto höher wird dein Stresslevel. Das ist, als wenn du immer auf dem Gaspedal stehst.

Mit deiner Atmung kannst du dich sehr gut „bremsen“. Deine Atmung und deine Herzfrequenz sind eng miteinander gekoppelt. Beim Einatmen steigt die Herzfrequenz an, beim Ausatmen fällt diese wieder ab. In der Medizin heisst das „respiratorische Sinusarrhythmie“.

Demzufolge kannst du deine Herzfrequenz mit deiner Atmung steuern und so zur Ruhe kommen, dein Stresslevel reduzieren und deine Sicherheit zurückgewinnen. Dazu gibt es eine ganz einfache Übung.

Atemregulation

  1. Atme durch die Nase ein und zähle dabei langsam bis vier.
  2. Atme nun langsam bewusst durch den Mund aus und zähle dabei langsam bis acht.
    Es geht nicht darum, einen Rekord aufzustellen. Wenn es besonders gut geht, kannst du beim Einatmen bis fünf oder sechs zählen und bis zehn respektive zwölf beim Ausatmen.
  3. Achte darauf, dass du in den Bauch atmest. Lege dazu die Hand auf deinen Bauch und beobachte, wie sich die Bauchdecke beim Einatmen hebt und beim Ausatmen wieder senkt.

Diese Atmung ist sehr entspannend.

Du kannst diese Atementspannung überall durchführen.

Fazit

Die meisten Ängste sind gelernt und abhängig von deinen persönlichen Erfahrungen. Eine gelernte Angst kannst du auch wieder verlernen. Denn Angst ist eine Sache der Bewertung.

Entscheidend ist, wie du mit deiner Angst umgehst.

Angst hemmt deine Leistung und führt zu körperlichem-, emotionalem und mentalem Stress.

Bist du in der Lage deine Angst durch soziale Unterstützung oder selbst zu regulieren und Sackgassen zu erkennen, kannst du (fast) jede Situation gelassen meistern. Die Alarmglocken kannst du auf diese Weise schnell wieder zum Verstummen bringen.

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass jene mutig sind, die ihren Ängsten ins Gesicht schauen

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