Achtung, Falle! Wie du mit Perfektionismus dein Selbstvertrauen ruinieren kannst

Athleten sind Perfektionisten. Sie haben einen hohen Anspruch an sich selbst und überlassen nichts dem Zufall. Daran ist nichts verkehrt … doch Perfektionismus hat noch eine andere Seite. Perfektionismus führt zu Selbstzweifeln, Frustration und ruiniert dein Selbstvertrauen. Doch der Reihe nach.

Letzte Woche habe ich eine Coaching-Fortbildung besucht. Im Nebenraum hat gleichzeitig ein Führungsseminar stattgefunden. Diese Chance liessen wir uns nicht entgehen und ermutigten die Führungskräfte, sich uns für Live-Coachings zur Verfügung zu stellen. So hatten wir am Nachmittag noch „echte“ Kunden, damit wir uns in Präsenz und Leichtigkeit im Coaching üben konnten.

Mein Kunde war sehr fordernd und eine Herausforderung, die ich jedoch gerne angenommen habe. Das (Kurzzeit-)Coaching lief eigentlich ganz gut und war nach knapp 30 Minuten beendet. Mit dem Ergebnis war mein Kunde sehr zufrieden. Für ihn ist das Coaching sehr nützlich gewesen. Aber ich war nicht wirklich zufrieden! Warum? Ich hätte mir noch mehr Leichtigkeit und Präsenz gewünscht. D.h. ich konnte meinen eigenen Anspruch nicht erfüllen.

Das frustrierte mich, obwohl mein Kunde happy war. Schräg, nicht?

Weil ich wieder einmal über meine eigenen Füsse stolperte, entstand dieser Artikel.

Hohe Erwartungen

Auch in meiner sportlichen Zeit hatte ich eine sehr klare Vorstellung von guten Trainings und perfekten Wettkämpfen. Das gab mir die Kraft und die Energie, mich immer wieder zu verbessern. Auf der anderen Seite führte es auch dazu, dass ich immer wieder mit Frustrationen und negativen Emotionen zu kämpfen hatte.

Es ist auch schon vorgekommen, dass ich nach einer persönlichen Bestzeit wie ein Rohrspatz schimpfte, dass es weit herum hörbar war. Rational und von aussen betrachtet war das unverständlich.Wie ist es möglich, dass ich nach einer persönlichen Bestzeit oder einem Schweizerrekord frustriert und enttäuscht sein kann?

Die Antwort ist einfach: Ich habe meine hohen Erwartungen nicht erfüllt!

Perfektionismus ist störend

  • Wenn ich nicht alles richtig mache, bin ich ein Versager.
  • Ich muss perfekt sein, sonst bin ich für mein Umfeld ein Versager.
  • Alles, was ich anpacke, muss perfekt sein.
  • Es ist unverzeihlich, wenn mir dieser Wettkampf misslingt.
  • Entweder mache ich es perfekt oder ich lasse es bleiben.
  • Nur wenn ich perfekt bin, werde ich von den anderen akzeptiert.

Das sind Aussagen, die du sicher von perfektionistisch veranlagten Athleten oder dir selber kennst. Sie führen dazu, dass du regelmässig mit negativen Emotionen zu kämpfen hast, verärgert bist, von Selbstzweifeln geplagt wirst und auch destruktive Selbstgespräche führst.

Als Perfektionist stempelst du dich gerne zum Versager.

Dies wirkt sich negativ auf deinen Körper, deine Gefühle und dein Verhalten aus. Du spürst eine innere Anspannung oder einen Klumpen im Bauch, hast Versagensängste und letztendlich vermeidest du Situationen, bei denen du Angst hast, nicht zu genügen. Das kann sogar so weit führen, dass du einen Wettkampf aufgibst, damit du dich nicht mit dem (für dich) ungenügenden Ergebnis auseinandersetzen musst. Oder du hast dir die Ausrede für dein Versagen schon vorher zurechtgelegt.

Machst du deine Selbstachtung davon abhängig, dass du alles perfekt machst …  läufst du Gefahr, dass du

  • dich minderwertig fühlst, wenn du Schwäche zeigst
  • unflexibel und verbissen wirst
  • unter einem extremen Erfolgsdruck leidest
  • dich kaum über deine Erfolge freuen wirst. Es hätte ja noch besser sein können!

Perfektionisten zerbrechen an ihren Erwartungen und nicht an den Erwartungen der anderen!

Mit jeder negativen Bestätigung leidet dein Selbstvertrauen und deine Zweifel werden grösser.

Deine Freude am Sport geht verloren, Training und Wettkämpfe werden zum Stressfaktor und das Selbstvertrauen wird durch deinen nicht erreichbaren Anspruch mehr und mehr ruiniert.

Dabei kann Perfektionismus sehr leistungsförderlich und hilfreich sein.

Perfektionismus und Leistung

Perfektionismus ist ein durchaus hilfreiches Persönlichkeitsmerkmal im Leistungssport. Vor allem in technischen Sportarten wie beispielsweise Kunstturnen, Stabhochspringen oder Eiskunstlauf. Also überall dort, wo hohe koordinative Fähigkeiten gefragt sind und ein Bewegungsablauf möglichst perfekt ausgeübt werden sollte.

Der Perfektionismus und das Leistungsmotiv gehen Hand in Hand. Leistungsmotivierte Athleten brauchen echte Herausforderungen, weil sie einen hohen inneren Gütemassstab haben. Das damit verbundene Streben nach Perfektion ist in diesem Fall sehr hilfreich. Denn es ist deine unbewusste Kraftquelle, welche dir die Energie gibt, dich konstant zu verbessern.

Das Leistungsmotiv wird jedoch nur aktiviert, wenn die Wahrscheinlichkeit für das Gelingen oder Misslingen einer Aufgabe 50/50 ist. Zu leichte oder zu schwierige Aufgaben sind demotivierend.

Perfektionismus ist Fluch oder Segen zugleich.

Perfektionismus ist dann leistungsfördernd, wenn du in der Lage bist, deine negativen Emotionen zu kontrollieren.

Raus aus der Perfektionismus-Falle

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie du mit negativen Emotionen, die durch zu hohe Ansprüche entstehen, umgehen kannst, damit du zum Stehaufmännchen wirst. Darüber habe ich hier und hier geschrieben.

Eine weitere tolle Möglichkeit, konstruktiv mit Perfektionismus umzugehen, ist das Führen von einem „Perfektionismus-Logbuch“. Die Vorlage dazu kannst du hier downloaden.[bloggo_optins id=1]

  1. Notiere dir Situationen, in denen du dich perfektionistisch verhalten hast und es dich genervt und heruntergezogen hat.
  2. Schreibe dir die Gefühlslage und die Stärke dieser Emotion auf einer Skala von 0 – 100 % auf, die durch diese Situation ausgelöst worden ist.
  3. Notiere dir, wie du dich das nächste Mal gerne verhalten möchtest, damit es keinen negativen Stress mehr gibt.

Ein Beispiel

Situation: Ich war im Training genervt, weil ich die Traineranweisungen nicht so umsetzen konnte, wie ich mir das vorstellte.

Gefühl: Frustration
Stärke: 80 %

Mein Handlungswunsch: Akzeptieren, dass es nicht immer gleich gut läuft. Die kleinen Fortschritte schätzen und es das nächste Mal wieder mit Freude und Elan versuchen. Next time, next try.

Fazit

Perfektionismus ist auf andere fokussiert: „Was werden sie denken?“ Damit machst du dich zum Sklaven!

Es ist unwichtig, was andere denken!

Entscheidend ist: wer du bist, was du kannst und wie du deine Möglichkeiten nutzt. Du hast es in der Hand. Entscheide selber, was gut für dich ist.

Alles, was du tun kannst, ist, dein Bestes zu geben. Dann bist du gut!

Nutze deine Möglichkeiten

Martin

 

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass jeder selber entscheiden sollte, was für ihn gut ist.

PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht alles ein wenig einfacher.

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